Rosarote Bahnhöfe, ein pastellfarbener Schrebergarten - die Gemälde des Hamburgers sind so wolkig nett wie frühe Heinz-Rühmann-Filme.

Die meisten Leute erschrecken, wenn er erzählt, wo er wohnt. Weil sie glauben, St. Pauli sei keine gute Wohngegend, gar für eine junge Familie mit Kleinkind, gar für jemanden mit seinen Erfolgen. Und das findet Klaus Hartmann sehr seltsam.

Hartmann, 32, Familienvater, Biertrinker, Künstler, wohnt gern in der Seilerstraße, parallel zur Reeperbahn. "Spitzen-Nachbarschaft hier", sagt er und nickt zur Eckkneipe "Glöe International" hinüber. "Man kann draußen sitzen, und ein halber Liter Von-Raven-Bier kostet eine Mark." So billig wie nirgends. "Weil es Mecklenburger Bier ist", erklärt Hartmann.

Und das gefällt dem Mann. Aber nicht, weil er aus dem Osten stammt. Oder etwa sparen müsste. Seit drei Jahren ist Hartmann ein gefragter Künstler, gerade wurde er mit dem renommierten Lichtwark-Stipendium ausgezeichnet. Oft werden seine Bilder auf Messen und in Galerien schon bei der Eröffnung verkauft - und zwar in gute Sammlungen.

Es sind seltsame Bilder: mit bunten Gartenlauben und kunstgeschmiedeten Zäunen. Mit rosa Bahnhöfen, Achterbahnen, pastellig blühenden Bäumen und zartem Schneegestöber. Hartmann malt Kleinbürgeridyllen, so surreal wie bei "Alice im Wunderland", so wolkig nett wie in einem frühen Heinz-Rühmann-Film. Kein Wunder. Die Bilder handeln von den Sehnsüchten und Träumen des kleinen Mannes, sie erzählen von Schönheit, Besitz, Vergnügen und Urlaub. Es sind Geschichten aus dem "Glöe International". Oder Geschichten, wie Hartmann sie aus der DDR kennt. "Die besten Partys", erinnert er sich, "haben wir immer in den Schrebergartenkneipen gefeiert."

Bei den kleinen Leuten hat Hartmann sich immer wohl gefühlt. Obwohl er immer Künstler werden wollte. Aber an ein Studium in der DDR war wegen seines Vaters, eines politisch engagierten Pfarrers, nicht zu denken. Erst 1991, nach beendeter Orthopädie-Schuhmacherlehre, schrieb sich Hartmann an der Hamburger Kunsthochschule ein. Er zeichnete ein bisschen, aber weil er die ganze Westkunst nicht kannte, sah er sich vor allen Dingen Kataloge an. Und hörte staunend den endlosen Diskussionen über Kontext- und Dienstleistungskunst zu. Bis ihm das Gequatsche auf die Nerven ging.

Und genau deshalb begann er, seine abwegigen rosa Blütenbaum-Bilder zu malen. "Es war eine Art Provokation." Die Reaktionen auf sein erstes Bild reichten von Empörung bis zu verblüffter Anerkennung. "Wenn alle genickt hätten, hätte ich wahrscheinlich so nicht weitergemalt", sagt Hartmann.

Immer noch fragen sich Kritiker, ob Hartmann den Kleinbürgergeschmack denunzieren will oder ob seine Bilder ironisch gemeint sind. "Sie sind doppelbödig", sagt er freundlich. So wie das Leben.

KulturSPIEGEL 8/2001 © Ingeborg Wiensowski, KulturSPIEGEL